Zeit_Tiefen_Raum

Installation im Projekt »Rekonstruktion der Zukunft.
Raum – Licht – Bewegung – Utopie.
Appia. Von Salzmann. Jaques-Dalcroze«
Festspielhaus HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden
18. Oktober 2017 bis 11. November 2017

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(24 programmierte Bahnhofsuhren, 2017)

»Rekonstruktion der Zukunft« mit Bühnenprogramm, Vorträgen und Ausstellung von u.a.

Avatara Ayuso/Ángel Martinez Roger, BBB, Prof. Richard Beachem, Janis Altbauers, Luis Camnitzer, Frédéric Flamand, William Forsythe, Gabriele Gorgas/Claire Kuschnig, Hammer/Hernandez/Roggan/Till, Daniel Libeskind, Lukas Ligeti/Simon Stockhausen, Constanza Macras/Dorkypark, Prof. Dr. Patrick Primavesi, Robert Wilson, Richard Siegal, Aviya Wyse, Franziska und Sophia Hoffmann

»Es war nicht weniger als der Aufbruch in eine neue Dimension: Als 1911 der Theaterreformer Aldolphe Appia, der Rhythmiker Émile Jaques-Dalcroze, der Architekt Heinrich Tessenow und der Künstler Alexander von Salzmann in Hellerau zusammentrafen, schufen sie mit dem Großen Saal des Festspielhauses den Idealraum für das Theater des 20. Jahrhunderts. 
Für das einmonatige Projekt Rekonstruktion der Zukunft wird nun nach über 100 Jahren zum ersten Mal die Appia-Bühne mit ihrem ursprünglichen Beleuchtungskonzept im Festspielhaus Hellerau nachgebaut. Zeitgenössische ChoreografInnen, TheoretikerInnen und KünstlerInnen wurden eingeladen, die Bühne zu bespielen.«
Kurator: Héctor Solari / Intendant: Dieter Jaenicke

 

In der Installation Zeit_Tiefen_Raum für das Projekt »Rekonstruktion der Zukunft« im Festspielhaus HELLERAU wird das Potential von Bahnhofsuhren als Taktgeber und Leuchtkuben ausgelotet: Technisch erweitert und neu arrangiert bilden sie eine (re)konstruierte Gruppierung mit experimentellem, temporärem Charakter.

Modular aufgebaut, animiert die Installation aus 24 Uhren vom Hauptbahnhof Frankfurt am Main die Besucher, den Raum zu erkunden. Sie verweist damit auf Adolphe Appias Bühne für Hellerau um 1912, die die direkte Begegnung von Darsteller und Publikum auf gleicher Ebene und die aktive Teilnahme des Zuschauers betont. Die Anordnung der Uhren erzeugt eine räumliche Tiefe, die Zeit durch Bewegung erfahrbar macht. Eine weitere Zeit-Dimension zeigt sich in den Gebrauchsspuren der Bahnhofsuhren, die erst hier durch die unmittelbare Nähe der Objekte zum Betrachter sichtbar werden.

Laut Adolphe Appia war der Darsteller der Übersetzer der in der Partitur festgelegten Zeit im Raum. Sein Körper erzeugt durch Positionierung im Bühnenraum und durch Bewegungen seine eigene Chronologie. Diese zeitlichen Aspekte innerhalb einer Inszenierung werden in der Installation durch die Anordnung der Uhren aufgegriffen. Hierbei erhält diese Ansammlung eine neue Zeittaktung: Bisher folgten sie einem gemeinsamen Zeitimpuls – nun erzeugt eine den Uhren jeweils eigene Programmierung ganz unterschiedliche Rhythmen und Geschwindigkeiten, die zur asynchronen Rotation der Zeiger führen. Eine reale Zeitmessung ist au­fgehoben, eine objektive Zeitbestimmung scheint nicht möglich. Dabei wird die individuelle Zeitwahrnehmung des Betrachters durch den Polyrhythmus der 24 Uhren überlagert.

Im Kontext des Projektes »Rekonstruktion der Zukunft« ist die durch Rhythmus geprägte Installation ein Verweis auf die Arbeit des Schweizers Émile Jaques-Dalcroze, der als Zeitgenosse und Freund Appias mit seiner Rhythmik-Schule im Festspielhaus Hellerau ein neues Verständnis für Bewegung und Tanz prägte.

Der von der Leuchtkraft der Uhren erzeugte diffuse Lichtraum gleicht einer theatralen Szenerie, in der Licht zum Gestaltungsmittel wird. Hierin wird Bezug genommen zur Arbeit des Künstlers Alexander von Salzmann. Dieser entwarf für Appias Bühnenbild den wegweisenden Lichtraum mit über 2000 Glühlampen hinter einem weißen Stoffbehang.

Text: F/S Hoffmann und Héctor Solari

Wir danken dem Team von HELLERAU und der Firma Thum EAD (technischer Support)!

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